Dem Rindfleischmarkt in der Europäischen Union stehen wohlmöglich schwere Zeiten bevor. Einem aktuellen Marktausblick der EU-Kommission zufolge sollen langfristig bis 2030 sowohl die Erzeugung als auch der Konsum in der Gemeinschaft sinken. Die Bruttoeigenerzeugung für das laufende Jahr schätzen die Brüssler Analysten auf 8,13 Mio t; bis 2030 soll diese jedoch um rund 600 000 t oder 7,4 % auf 7,53 Mio t sinken.
Als wichtiger Grund dafür wird der rückläufige Kuhbestand genannt, denn die Zahl der Milchkühe, wie auch die Population der Mutterkühe, dürfte in den kommenden Jahren abnehmen. Wenig erfreulich fällt auch die Prognose der EU-Kommission zum Rindfleischverbrauch aus. Nachdem dieser in den vergangenen Jahren leicht gestiegen ist, soll die innergemeinschaftlichen Nachfrage bis 2030 wieder nachlassen und sich damit der Negativtrend aus der ersten Hälfte dieses Jahrzehnts fortsetzen.
Die Experten aus Brüssel erwarten mit Blick auf die bevorstehenden 13 Jahre eine Abnahme des Verbrauchs um etwa 430 000 t oder 5,4 % auf 7,48 Mio t. Der durchschnittliche Pro-Kopf-Verbrauch, gemessen in Einzelhandelsgewicht, würde demnach von jetzt 10,8 kg auf 10,1 kg im Jahr sinken. Positiver fällt aus Erzeugersicht dagegen die Preiserwartung der Kommission aus. Zwar wird auf dem Weltmarkt längerfristig mit Preisschwächen für Rinder und Rindfleisch gerechnet, doch soll sich in der Gemeinschaft das Niveau der Jungbullenpreise weitgehend halten und um den Wert von 3,70 Euro/kg Schlachtgewicht (SG) schwanken.
Wieder Nettoimporteur von Rindfleisch?
Für den Außenhandel werden ebenfalls gravierende Änderungen im Rindersektor erwartet. War die EU in den vergangenen Jahren - auch dank der florierenden Lebendausfuhren - ein Nettoexporteur von Rindfleisch, so könnte sich das nun wieder ändern. Für den Lebendexport von Rindern wird angenommen, dass dieser nach einem Rekordergebnis von 241 000 t in diesem Jahr bis 2030 auf 200 000 t abnimmt.
Neben der größeren Konkurrenz durch Wettbewerber aus Brasilien oder Uruguay nennt die Kommission auch veterinärrechtliche Probleme und Tierschutzaspekte als Gründe für den erwarteten Rückgang der Lebendausfuhren.
Der Rindfleischverkauf in Drittländer soll im gleichen Zeitraum sogar um rund 23 % auf 206 000 t sinken. Neben dem kleineren Angebot in der Gemeinschaft werden hierfür ebenfalls preiswerte Offerten der globalen Wettbewerber ins Feld geführt. Gleichzeitig wird für die Rindfleischimporte bis 2030 ein Anstieg um 22 % auf 353 000 t prognostiziert. Dabei wird unterstellt, dass Kanada seine zusätzliche Tarifquote im Rahmen des Freihandelsabkommens von 46 000 t nur zur Hälfte ausschöpft und die Ukraine die ihrige wegen Veterinärauflagen in der EU gar nicht nutzt. Die Folgen des Brexit sind in der gesamten Prognose der Kommission nicht berücksichtigt.
Höherer Rindfleischverbrauch in Deutschland möglich
In den einzelnen EU-Mitgliedstaaten kann nach Auffassung der Kommission die Entwicklung des Rindermarktes durchaus unterschiedlich verlaufen. So soll beispielsweise die Rindfleischerzeugung in Frankreich, Deutschland, Rumänien und Polen abnehmen, während sie in Irland, Österreich, Belgien und den Niederlanden zunehmen dürfte. Begründet wird das mit der divergierenden Entwicklung der Kuhbestände.
So wird prognostiziert, dass die Milchkuhherde vor allem in Irland und Österreich wachsen wird, während sie in Polen und Rumänien deutlich schrumpfen soll. Auch beim Verbrauch gehen die Analysten aus Brüssel von unterschiedlichen Tendenzen in den Mitgliedsländern aus. Für Frankreich wird beispielsweise eine sinkende Nachfrage angenommen, während für Deutschland aufgrund der Migration ein höheres Verbrauchsniveau unterstellt wird. Auch wies die Kommission darauf hin, dass in Frankreich die Rindfleischerzeugung stärker in der Kritik von Tierschützern stehe, während sich die Diskussion in Deutschland vor allem auf Schweine und Geflügel konzentriere.
Des Weiteren gehen die Experten davon aus, dass die Spezialisierung auf bestimmte Produktionsformen in den Mitgliedstaaten zunehmen wird. Die auf die Milcherzeugung ausgerichteten Länder wie Deutschland, Frankreich oder Irland würden deshalb noch mehr Kälber zur Mast in die dafür spezialisierten Länder wie die Niederlande, Belgien oder Luxemburg liefern. Gleiches gelte für den Fresserexport von Frankreich oder Rumänien nach Spanien beziehungsweise Italien.