Im Februar soll es Medienberichten zufolge einen Krisengipfel von Bund und Ländern zur Afrikanischen Schweinepest geben. Das habe Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) den Ressortchefs der Länder sowie Experten und Vertretern des Deutschen Bauern- und Jagdverbandes geschrieben, berichten mehrere Zeitungen.
Bei dem Treffen soll es um Maßnahmen gegen eine Ausbreitung der bisher in Osteuropa grassierenden Tierseuche gehen. Schmidt vertritt dabei offenbar die Meinung des Deutschen Bauernverbandes nach einer verstärkten Jagd auf Wildschweine, die als mögliche Überträger der Seuche gelten.
DBV-Präsident Joachim Rukwied verteidigte unterdessen die Forderung seines Verbandes, dass 70 % des Wildschweinebestandes erlegt werden müssten. Allein schon das Auftreten der ASP bei Wildschweinen führe zu massiven Restriktionen beim Export von Schweinefleisch, was zu einem Zusammenbruch des Marktes und einer Existenzgefährdung der Schweinehalter führen werde.
Der Bauernverband hatte vergangene Woche ein ganzes Paket von Präventions- und Bekämpfungsmaßnahmen gefordert. Neben der genannten Reduzierung sprach er sich für ein Aussetzen von Schon- und Ruhezeiten sowie anderweitige Einschränkungen der Jagd aus. Ausgenommen werden sollen allenfalls tragende und säugende Bachen mit unselbstständigen Frischlingen. Tierschutzrechtliche Bedenken wies Vizepräsident Werner Schwarz in diesem Zusammenhang zurück. Der Leidensdruck infizierter Wildschweine sei allemal höher als die Folgen einer intensiven Bejagung.
Der Bauernverband schlägt zudem zur Förderung einer stärkeren Bejagung bundesweite Aufwandsentschädigungen für erlegtes Schwarzwild, Unterstützung bei der Verarbeitung und Vermarktung des Wildbrets, aber auch die Öffnung bisher befriedeter Regionen wie Stadtgebiete und ein verbessertes Wildschweinmonitoring vor.
ASP-Gipfel in Kiel: Schleswig-Holstein will Schweinepestverordnung ändern
Am Freitag stattgefunden hat bereits ein Krisengipfel in Schleswig-Holstein. Ergebnis: Mehr Personal im Landeslabor, strengere Hygieneregeln und Lockerungen bei der Wildschweinjagd.
Auf Einladung von Landwirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) waren Vertreter von Verbänden der Landwirtschaft, der Jagd, des Tierschutzes und des Naturschutzes sowie des Innenministeriums, der Polizei und der kommunalen Spitzenverbände gekommen. Unter anderem beschlossen die Vertreter noch, wie man im Seuchenfall schnell und effizient reagieren könne, berichtete Habeck. So soll es eine Übung geben, bei der der Ernstfall geprobt wird, berichtet der NDR.
Das Personal im Landeslabor und im Umweltministerium wird aufgestockt. Bei Schweinetransporten aus betroffenen Staaten sollen in Zukunft strengere Hygieneregeln an den Grenzen gelten. Eine solche Änderung der Schweinepestverordnung soll der Bundesrat im März beschließen. Außerdem sollen keine Ferkel mehr aus Schleswig-Holstein in ASP-Gebiete gebracht werden. Landwirte sind aufgefordert, kein Futter mehr aus osteuropäischen Ländern zu kaufen, in denen bereits die Schweinepest aufgetreten ist. Jäger sollen Jagdreisen ins Baltikum unterlassen. Hierbei handelt es sich nur um Appelle. Für entsprechende Verordnungen fehlt laut Habeck die rechtliche Grundlage.
Bei der Wildschweinjagd sollen in Zukunft auch künstliche Lichtquellen und die Jagd in Naturschutzgebieten erlaubt sein. Dazu muss das Landesjagdgesetz geändert werden. Jäger sollen eine spezielle Schulung bekommen, Bürger können tote Wildtiere per App melden.
In Betrieben, in denen Schweine gehalten werden, soll verstärkt auf Hygiene geachtet werden. Auch dies ist ein Appell des Ministeriums. Die Veterinärämter müssen alle Freilandhaltungen überprüfen. Dort sollen die Tiere doppelt und wildsicher eingezäunt werden. Auch Stallhaltungen werden verstärkt überprüft.
Jäger fragen, wer 70 % Abschuss schaffen soll
Hamburg zahlt 100 Euro für ein erlegtes Wildschwein, Niedersachsen und Brandenburg 50 Euro: Solche „Kopfprämien hält Helmut Blauth, stellvertretender Präsidenten der Landesjägerschaft Niedersachsen (LJN) für „utopisch“. Derzeit würden schon etwa 50.000 Wildschweine pro Jahr geschossen, kritisierte er laut NDR.
Dennoch habe die niedersächsische Landwirtschaftsministerin Barbara Otte-Kinast (CDU) vor wenigen Tagen angekündigt, 3,5 Millionen Euro bereitstellen zu wollen, um die Bestände von Wildschweinen im Land stärker bejagen zu lassen. Blauth fragt, wer die Schweine denn alle schießen solle. „Wer soll das schaffen?" Etwa 20 Stunden brauche ein Jäger, um ein Wildschwein zu erlegen. Der Aufwand sei deutlich höher als bei anderen Tieren, etwa bei Rehen. Wildschweine sind nicht in der Dämmerung aktiv und würden einfach auch seltener stehen als Rehe. Der Jäger ist daher auf den Mond angewiesen - Nachtsichtgeräte oder Wärmebildkameras seien aber tierschutzrechtlich tabu. "Derzeit gibt es keine legale Technik, um im Dunkeln Schweine zu schießen", sagte Blauth NDR.de.
Ein probates Mittel, um Wildschweine effektiver zu bejagen, seien Drückjagden, so Blauth weiter. Doch der logistische Aufwand sei hier viel höher - beispielsweise müssten Straßen gesperrt werden, um eine Gefährdung von Menschen durch die Tiere oder die Jäger auszuschließen.
Der Deutsche Tierschutzbund hat den vom Bauernverband geforderten massenhaften Abschuss von Wildschweinen unterdessen kritisiert. Es handele sich um Panikmache und entbehre jeder wissenschaftlichen Grundlage, so die Tierschützer. Blauth sieht das anders. "Das ist Unfug", sagte er. Je dichter eine Population sei, desto rasanter breite sich die Seuche aus. Und nur, wenn man die Population ausdünne, sei eine Ausbreitung der Schweinepest einzudämmen. Weiterhin spricht sich Blauth für eine stärkere Kontrolle des Transitverkehrs aus den bereits betroffenen Gebieten aus: Neben den Rastplätzen an Autobahnen müssten auch die Bundesstraßen mit mehrsprachigen Warnhinweisen ausgestattet werden.
Widerstand aus Rheinland-Pfalz
Das rheinland-pfälzische Umweltministerium positionierte sich vergangene Woche klar gegen eine erhöhte Abschussquote für Wildschweine. Eine Abschussquote von 70 % sei nicht zu beziffern, weil überhaupt nicht bekannt sei, wie viele Wildschweine in Rheinland-Pfalz und ganz Deutschland lebten, teilte das Umweltministerium auf SWR-Anfrage mit.
Rheinland-Pfalz habe schon vor Jahren Entscheidungen getroffen, um die Abschusszahl zu erhöhen: So könne Schwarzwild das ganze Jahr über gejagt werden. Ausgenommen davon seien führende Bachen. Eine monatelange Jagdruhe, die der Bauernverband kritisiere, gebe es in Rheinland-Pfalz nicht.
Zu Forderungen der Jäger, Nachtzielgeräte zu erlauben, sieht sich Rheinland-Pfalz übrigens nicht zuständig. Der Bund müsse hier die Initiative ergreifen, weil es um das Bundeswaffengesetz gehe.
Weitere Kritik
Kritik kam auch von der SPD-Bundestagsabgeordneten Susanne Mittag. Sie bezeichnete eine Bestandsreduzierung um 70 % als „blinden Aktionismus“. Das Schwarzwild sei in Bezug auf die ASP nicht die größte Gefahr, sondern Reisende und Berufskraftfahrer, die die Erreger einschleppten oder durch sorglos mitgebrachte Lebensmittel ins Land brächten. Mittag drängt daher auf intensivere Kontrollen im Transitverkehr, konsequente Sanktionen für Regelverstöße, den Erhalt bestehender Wildzäune in den Grenzregionen sowie Biosicherheitsmaßnahmen auf den Höfen.
Auch Moritz Klose vom WWF ist der Meinung, dass weder die Jagd noch die natürliche Schützenhilfe durch den Wolf den Schwarzwildbestand dauerhaft senken werden. Um dieses Ziel zu erreichen, brauche es mehr Vielfalt in den Anbauflächen und deutlich weniger Mais- und Rapsfelder.
Linke: „Situation ist Ergebnis verfehlter EU-Agrarpolitik“
Die Agrarsprecherin der Linken, Dr. Kirsten Tackmann, hält ebenfalls eine tierschutzgerechte Reduzierung für sinnvoll, nur sei diese längst überfällig und müsse nun endlich umgesetzt werden.
„Allerdings darf nicht vergessen werden, dass diese bedrohliche Situation auch Ergebnis eines verfehlten EU–Agrarmodells ist. Zum Beispiel ist die massive Ausweitung des Maisanbaus in den vergangenen 10 Jahren sowohl eine exzellente Futtergrundlage für das Schwarzwild als auch eine ernsthafte Behinderung einer waid- und tierschutzgerechten Regulierung des Bestandes durch die Jägerschaft. Zusätzlich wird das außerhalb von Notzeiten bestehende Fütterungsverbot für Wild nur begrenzt durchgesetzt“, sagte sie.
Regionen mit extrem hohen Hausschweinebeständen oder Mega-Anlagen mit mehreren 10.000 Schweinen würden die Bekämpfung zum „Horrortrip für alle Betroffenen“ machen, erklärte Tackmann weiter. Die hohe Exportabhängigkeit der Schweinehaltung führe zu exorbitanten wirtschaftlichen Kosten als Folge von Bekämpfungsmaßnahmen oder Handelsrestriktionen.
„Deshalb sollten der geschäftsführende Bundesagrarminister und der Bauernverband zum Rückzug blasen aus einer verfehlten Ausrichtung der Agrarpolitik der letzten Jahre, die das große Halali auf das Schwarzwild erst nötig gemacht hat.“
ThüringenForst lädt zur Schwarzwildjagd
In den Revieren von ThüringenForst dürfen Wildschweine jetzt auch während der Schonzeit erlegt werden. Konkret geht es um die Zeiten von Mitte Januar bis April und von Juni bis Mitte Juli.
Ausgenommen von der Regelung sind führende Bachen. Zwar werden nur noch bis zum 15. Januar Treibjagden veranstaltet, der Forstbetrieb rief jedoch dazu auf, die Einzeljagd auf Schwarzwild zu verstärken.
Nach Ansicht von Uli Klüßendorf, Leiter des Forstamts Sondershausen, kann die scharfe Bejagung den Einmarsch der Afrikanischen Schweinepest aber nicht stoppen. "Es ist nicht die Frage, ob sie kommt, sondern wann“, sagte er MDR THÜRINGEN. Inzwischen wurde die Schweinepest bereits in Schwarzwildbeständen in Osteuropa nahe der deutschen Grenze nachgewiesen.